Montag, 25. Januar 2021

DUISTOP - Mosaik


Der Rhein bei Duisburg Laar
Seit mehr als 10 Jahren fotografiere ich in Duisburg und am Niederrhein und mache mir so ein Bild von der Landschaft, in der ich aufgewachsen bin. Als Kind war ich häufig in Koblenz und der Kontrast zwischen der lieblichen Landschaft am Mittelrhein und der Stadt im Ruhrgebiet hat lange meine Meinung über meine Umgebung geprägt, Duisburg schnitt da nicht gut ab, mit seinen mehr oder weniger ebenmäßig dunkelgrauen Fassaden. Wenn ich mit meinen Eltern mit unserem Hund spazieren ging, liefen wir an der alten Emscher in Beeck entlang, die gewaltig stank. Der Weg führte unterhalb der dicken Gasrohre entlang, die Thyssen durch die Landschaft gezogen hatte, vorbei am Schlackenberg, der im Krieg als Bunker gedient hatte, zu den Schrebergärten und den Wiesen der Emscherniederung an der Stepelschen Straße, auf denen der Schäfer häufig seine Schafe weiden lies. Das alles bildete einen bizarren Kontrast zwischen naturhafter Schönheit und rücksichtslosem Raubbau. Ich kann mich noch gut erinnern, dass ich meine Mutter (wahrscheinlich immer wieder) fragte, warum die Emscher denn so stinken würde und wie sehr ich mir wünschte, sie wäre ein sauberer Bach.

Als ich älter wurde fuhr ich fast jeden Tag mit Freunden mit dem Fahrrad zum Baggerloch, das unterhalb der Vogelwiese zwischen den Stadtteilen im Wald lag. Damals war es noch ein stiller See, die A42 endete noch in Beeck. Das Wasser leuchtete smaragdfarben, Trauerweiden ließen ihre Äste hinabhängen. Wir setzten uns ans Ufer, ließen die Füße in das klare Wasser baumeln und beobachteten die Fische. Wir fuhren auch an den Rhein in Laar, nach Ruhrort, Beeckerwerth und Bruckhausen und fanden viele schöne Ecken. Sicher war Koblenz romantischer, aber so schlecht war es bei uns auch nicht. 

 In den 80er Jahren begann der Abstieg Duisburgs und die Menschen fingen an, sich für ihre Herkunft zu schämen. Es war lange Zeit „in“ auf Duisburg zu schimpfen, besonders auf den Norden, und sich davon zu distanzieren, auch räumlich. Das hat sich bis heute nicht verändert. Halb Meiderich wohnt heute in Baerl. Ich wollte mich aber nicht damit abfinden, dass alles, was ich als meine Heimat geliebt hatte, schlecht sein sollte. Als ich eines Tages davon hörte, dass Bruckhausen zur Hälfte abgerissen werden sollte, wurde mir bewusst, wie wertvoll mir die Landschaft des Duisburger Nordens war. Mein Geschichtsstudium hatte mich gelehrt, das alles, was man näher betrachtet, interessant werden kann
und ich begann, mich mit der Geschichte der nördlichen Stadtteile zu beschäftigen. 

Überall gibt es Spuren der Vergangenheit, die von der industriellen und vorindustriellen Geschichte erzählen. Viele stehen unbeachtet da. Erinnerungen müssen gepflegt werden, damit sie nicht verloren gehen. Uns zu erinnern hat für die Gesellschaft aber eine wichtige Funktion: Die Geschichten, die wir uns erzählen, bestimmen unser Bewusstsein. Es ist leicht, eine Gegend, über die ich nichts weiß und die zunächst einmal nicht attraktiv auf mich wirkt, als wertlos abzuqualifizieren. Wenn ich aber von Laar, wo ich heute wohne, nach Beeck fahre, dann ist die Landschaft an der Stepelschen Straße für mich unterlegt mit verschiedensten Erinnerungen: Ich sehe die Vogelwiese oben auf den alten Schlackehalden der Phoenixhütte, die sich als Wald zwischen Beeck, Laar und Beeckerwerth hinzieht, wo ich als Kind spazierengegangen bin. Links geht es hoch zur Siedlung, die 1949 in Fachwerkbauweise errichtet worden ist und abgeschieden am Wald liegt, unten liegt der Baggersee.


Fahre ich weiter, liegen rechter Hand die Wiesen der Emscherniederung, auch heute weiden hier noch die Schafe, die Emscher ist renaturiert und stinkt nicht mehr. Oben in den Gärten hinter der Weststraße liegt noch der alte Teil des Bauernhofs, mit gemauerten Gewölben, vor dem ich früher Kastanien gesammelt habe und geradeaus schließlich das alte Beecker Pumpwerk mit seiner riesigen Kuppel, das vor dem Bau der A42 inmitten von Ponyweiden lag.

Die zwei Kilometer Weg wecken unzählige Geschichten in mir, manche stammen aus meiner Kindheit, vieles andere habe ich erst später erfahren. Dieser Hintergrund, der immer mitschwingt, macht mir die Landschaft wertvoll. Das diese Prinzip auch in Landschaften funktioniert, die wir nicht aus der Kindheit kennen, erfahren wir im Urlaub. Und auch bei meinen Führungen durch Bruckhausen habe ich immer wieder erfahren, dass man Menschen im wahrsten Sinne des Wortes die Augen öffnen kann.

Auch meine Bilder erzählen Geschichten. Bloße Schönheit interessiert mich selten. Im Duistop Mosaik möchte ich Geschichten von meinen Streifzügen durch Stadt und Land am Niederrhein erzählen, ungeordnet und ohne jeden Anspruch auf Vollständigkeit, aber mit Lust am Entdecken.

Mit der Zeit soll sich so aus den vielen kleinen Erzählsteinchen ein Mosaik der Stadt und ihrer
näheren und weiteren Umgebung zusammenfügen, Bilder haben Macht, man darf das nicht
unterschätzen. Wenn es dieser Stadt besser gehen soll, müssen sich die Geschichten ändern, die übersie erzählt werden. Das erreicht man nicht mit hohlen Marketingsprüchen, sondern mit sorgfältigem, zugewandtem Hinschauen und Wertschätzung. 

Die Folgen des DUISTOP- Mosaiks stehen als pdf-Dateien zum Download zur Verfügung: 

Startseite Mosaik: hier

1. Emscherniederung, Beeck 

2. Rheinaue, Alsum

3. Sankt Martin, Rheinland


DUISTOP - wer und was steckt dahinter?  

Wer?
Hinter DUISTOP bzw. der DUISTOP-Initiative steckt ein kleines Team von engagierten BürgerInnen. Im Januar 2018 haben wir uns zum ersten Mal getroffen und uns über unsere Erfahrungen in und mit Duisburg sowie mit der hiesigen Politik und Verwaltung unterhalten. Von Anfang mit dem Ziel etwas Konkretes wie z.B. eine Plattform auf die Beine zu stellen, die künftig allen anderen ebenso zur Verfügung stehen soll.
Zum Kernteam gehören:  weiterlesen: DUISTOP wer und was steckt dahinter?



Mittwoch, 31. Oktober 2018

Geschlossen: Denkmal Nr. 384

Das evangelische Gemeindehaus an der Schultstraße in Bruckhausen ist seit heute, pünktlich zum Reformationstag, geschlossen worden. Ein großer Teil des Grundstücks ist bereits vor Jahren verkauft und mit phantasielosen Wohnungsblöcken bebaut worden, die die historische Bebauung der Schul- wie der Dieselstraß beeinträchtigen.

Das Haus selbst ist 1903 errichtet worden. An seine hübsche Front mit den Gemeinderäumen schließt ein Saalbau an- die letzte erhaltene Notkirche aus der Gründerzeit im Ruhrgebiet.


Die  Front an der Schulstraße, rechts die neue Bebauung

An die repräsentative Front des Gebäudes schließt der Saalbau mit der Notkirche an

Mittwoch, 13. Dezember 2017

Zwangsräumungen in Marxloh - Die Geschichten von Gülsen und Papusa

Papusa
Papusa, ihr Mann Felix, die vier Kinder und Oma Luca haben vor einem guten Jahr ihre Wohnung in der Gillhausenstraße bezogen, nachdem sie aus der vorherigen Wohnung in der Hagedornstraße zwangsgeräumt worden sind. Die Wohnung hatte zwar nie eine Zentralheizung, mithilfe von elektrisch betriebenen Heizgeräten war die Wohnung im Vergleich zur vorherigen Wohnung jedoch gut warm zu bekommen. Papusa sprach immer von einer Luxuswohnung, die Familie fühlt sich hier wohl und hält sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser. Für einen positiven Jobcenterbescheid hat es jedoch bisher nicht gereicht. Immerhin bekommt die Familie nun, nach Monaten des Papierzerrens von Seiten der Kindergeldkasse, endlich Kindergeld. Mit der Gesundheit der alten Luca steht es nicht zum Besten, seit Jahren ist sie an der Parkinson Krankheit erkrankt, die lange Zeit nicht behandelt worden ist, auch ihre Diabetes wurde hin und wieder mit den nötigen Medikamenten versorgt, immer dann, wenn Freunde aus Rumänien Medizin geschickt hatten. Da die Familie keinen Krankenversicherungsschutz hat, muss Luca zum Arzt jetzt immer in die Stadtmitte zur Malteser Migranten Medizin, manchmal fährt sie nicht dorthin, dann fehlt das Geld für das notwendige Bahnticket. Papusa kann seit mehr als einem Jahr nicht richtig essen, sie habe einfach keinen Appettit, ihre Sorgen um die Familie würden ihr den Magen zuschnüren.

Nach der Räumung aus ihrer Wohnung an der Gillhausenstraße ist die sieben köpfige Familie bei Schwägerin Livia nebenan untergekommen. Livia lebt in einer 2,5 Zimmer Wohnung mit ihrem Mann, den drei Kindern und ihrer Schwiegermutter. Jetzt ist es sehr eng geworden, für Luca eine Zumutung. Sie schüttelt mehr denn je, sprechen möchte sie meistens nicht. Überhaupt ist ihr Gesicht gezeichnet, die gut 60-jährige geht nur noch sehr schleppend und beschwerlich und fragt immer wieder nach, wann sie denn endlich sterben dürfe. Während der Räumung bricht Papusa immer wieder zusammen, völlig entkräftet fragt sie was sie falsch gemacht hat, wofür sie bestraft würde.

Gülsen
Gülsen und ihre Familie wohnen nun schon seit geraumer Zeit in der Gillhausenstraße. Nach vielen anfänglichen Schwierigkeiten mit den Behörden, bei der Job und Wohnungssuche, hat sich die junge Familie in Marxloh gut eingelebt. Man fühlt sich wohl und vor kurzem wurde sogar in ein TV Gerät investiert, daß nun noch per Ratenzahlung abbezahlt werden soll. Am 12. Dezember hat Tochter Derya Geburtstag, sie wurde fünf Jahre alt, es sollte eigentlich groß gefeiert werden. Die Geschenke hatte Gülsen schon eingekauft und im Schlafzimmer gut versteckt.

Am 29.11.2017 dann, gegen 9 Uhr morgens hatte sich die sogenannte Task Force Zutritt zur Wohnung verschafft. Mitarbeiter des Ordnungsamtes laufen durch die Wohnung und überprüfen die Papiere der Familie. Sie sind unfreundlich und wollen jedes Zimmer sehen, Notizen werden gemacht. Derya weint, Güsen kennt das Vorgehen bereits von den Erzählungen verschiedener Freunde und Bekannten. Das Haus und auch ihre Wohnung findet Gülsen völlig in Ordnung, sie hofft noch, daß es bei der Überprüfung bleibt. Die Behördenmitarbeiter verlassen die Wohnung um kurz danach mit der Ansage wieder zu kommen, es bestünde Gefahr in Verzug, die Familie müsse binnen zwei Stunden die Wohnung verlassen. Man könne ein paar Habseligkeiten zusammenpacken und dann raus. Die Familie erhält eine Kontaktnummer beim Ordnungsamt, dort könne sie einen Termin machen um ein weiteres Mal in die Wohnung zu gehen. Gleich am nächsten Tag möchte Gülsen dann doch noch ein paar Sachen holen, u.a. den Schulranzen ihres Sohnes. Bis dahin war die Familie gefasst und guter Hoffnung bald wieder in die Wohnung zu können. Die Miete sei immer bezahlt worden, das Haus in einem akzeptablem Zustand. Als sie dann mit einem Mitarbeiter der Behörde ihre Wohnung betritt, ist die komplette Wohnung verwüstet, das TV Gerät, die Geschenke für Derya und die Kaffeemaschine sind weg, Schubladen wurden aus den Schränken gerissen, Gülsen ist fassungslos, sie erkennt ihre Wohnung nicht wieder.


Die Stadt Duisburg, verantwortlich für die Gebäudesicherung, sollte für den entstandenen Schaden aufkommen, so die Mutmassung des hinzu gezogenen Anwaltes. Gülsen ringt auch Tage später noch um Fassung, sie versteht nicht, warum die Stadt Duisburg ihr das Leben derart schwer macht. Deryas Geburtstag wurde im kleinen Kreis in der Wohnung von Freunden in der Rudolfstraße gefeiert, bei der die Familie zunächst mal unterkommen konnte.


Text: Sylvia Brennemann  Fotos: Katrin Gems


Donnerstag, 5. Oktober 2017

Brand an der Heinrichstraße

Am 03.10.2017 geriet das seit langem in städtischem Besitz befindliche Haus an der Heinrichstraße neben dem Haus der Familie Hagedorn in Brand. Die Flammen schlugen bis zum Dach hoch, laut Artikel der NRZ (https://www.nrz.de/leerstehendes-haus-in-bruckhausen-abgebrannt-id212125023.html) ist die Ursache des Brandes noch ungeklärt. Die Stadt hat die Gebäude rechts und links des Hagedornschen Hauses bereits vor Jahren aufgekauft um sie für den "Grüngürtel" genannten Flächenabriss des halben historischen Stadtteils Bruckhausen abzureißen. Familie Hagedorn hat der Stadt ebenfalls schon vor Jahren angeboten, die beiden unbewohnten Häuser, die ihr Haus einrahmen, zu kaufen und zu renovieren. Die Stadt lässt sie aber verfallen und will weiterhin das Haus der Familie Hagedorn erwerben um es ebenfalls abzureißen. (mehr zum Thema: Post vom 16.11.2013: Briefe an den Oberbürgermeister, Solidaritätserklärung der Piratenpartei mit Familie Hagedorn vom 10.12.2013) Das rechts stehende Gebäude, das nun gebrannt hat, war nur durch einen einfachen Bauzaun gesichtert, Löcher in den Hauswänden bieten leichten Zugang ins Innere des Gebäudes. Gestern flammte der Brand noch einmal auf. 

Nach dem Brand: Die Heinrichstraße am 04.10.2017


 

 

Donnerstag, 6. April 2017

Bruckhausen - Machtspiel oder Stadtmasssaker - Galerie Arbeiterfotografie, Köln


Filmclip der Galerie Arbeiterfotografie, Köln zur Podiumsdiskussion zur Ausstellung "Bruckhausen - Beispiel oder Machtspiel"

Donnerstag, 9. Februar 2017

Das Ende der Dieselstraße

09.02.2017 Dieselstraße Bruckhausen

27.07.2012 Dieselstraße Bruckhausen

23.10.2008 Dieselstraße Bruckhausen